Saubere Dreckspatzen! Wie unsere Medien moralisch gereinigt werden

Stefan TeschFratzenpost

Reinigung des Mediensystems

Ist es dir schon aufgefallen? Es wird zunehmend sauberer! Schmutzflecken geht es an den Kragen. Österreichs Mediensystem vollzieht eine moralische Reinigungsaktion im großen Stil. Kritische Geister, die nicht als Durchlauferhitzer für Regierungs-PR agieren, müssen weg. Und zwar schnell! Denn sonst bröckeln die brav nachgerülpste Narrative der von Regierungswerbung geschwängerten Blätter und Sender.

Längst hat sich der vermeintliche Mainstream auf wundersame Art stramm der Regierungslinie verschrieben. Angetreten zum größten Coup seit der Propaganda dunkler Vorzeit. Geheiligt durch das Motiv, das Volk vor dem Seuchentod zu bewahren. Geputzt wird an mehrere Schauplätzen gleichzeitig.

Selbsterfüllende Prophezeiung

Gut, dass die Regierung viel Einfluss auf einen (noch) reichweitenstarken Rundfunk hat. Seit zwei Jahren laden selbstverliebte Ankergäule Experten rund um den Virenzirkus ein. Aufmerksame Zuschauer haben es längst entdeckt: Aus ihren Mündern strömen stets die gleichen Sager. Ab und zu schleicht sich ein Kritiker ein, der dann Brösel bekommt. Zusammengefangene Zahlensprudler prophezeien, was sich daraufhin Schritt für Schritt aus dem Zauberhut des Polittheaters als Wahrheit herausstellen darf. Schulterklopfen inklusive.

Meinungsvielfalt? Fehlanzeige! Jetzt könnten böse Andersdenker einen Blick ins ORF-Gesetz unternehmen. Im Paragraph 10 steht: „Die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen ist angemessen zu berücksichtigen.“ In der Praxis endet Meinungsfreiheit  dort, wo großangelegte kommerzielle Interessen der Regierung beginnen, wo politische Machbestrebungen ihre Urständ feiern. Freilich weiter kritisch bleibt man gegenüber der Opposition sowie Kavaliersdelikten der Regierung, um die Krone der Glaubwürdigkeit auch weiterhin tragen zu dürfen.

Im staatlichen Rundumadumfunk wars bisher schon recht sauber, aber nun – Corona-Lage sei Dank – erstrahlt das Medienhaus in neuem Glanz! Stramm auf Regierungslinie macht Journalismus am meisten Spaß. Gespannt blicken wir auch schon auf die Ergebnisse jener Taskforce, welche die Motive für eine plötzliche hohe Zahl an GIS-Abmeldungen beinhart aufdecken wird.

Der Sender, der aufmuckt

Zu putzen gibt’s ringsherum umso mehr: Jetzt geht es dem größten Privatsender an den Kragen. Die Medien-Regulierungsbehörde KommAustria hat ein Verfahren gegen den Salzburger Sender eingeleitete. Initiiert hat dies der Presseclub Concordia und wirft Servus TV bzw. besonders dem Wochenkommentar „Der Wegscheider“ vor, bei der Kritik an den Corona-Maßnahmen gegen Objektivität und journalistische Sorgfaltspflicht verstoße. In all der Euphorie, endlich einem Andersdenkenden eins auswischen zu können, hat man aber ganz vergessen, dass ein meinungsbetontes Format, wie eben ein Kommentar, naturgemäß mit Objektivität nicht zwingend verheiratet sein muss.

Mündigen Bürger wird nicht mehr zugetraut, sich aus anderen Meinungen eine eigene zu bilden. So auch bei der Journalistin Gudula Walterskirchen, die Mitte April in der „Presse“ ihren letzten Kommentar verkündete. Aufgrund eines Textes, der Zweifel an der Amtsfähigkeit des Bundespräsidenten übte, entfernte man sie aus dem Blatt, schreibt sie in ihrem finalen Kommentar. Übrigens wurde Walterskirchen vergangenes Jahr des Amtes als Herausgeberin der NÖN under BVZ wegen ihrer Corona-Maßnahmen-kritischen Haltung enthoben, berichten Branchenmedien.

Redaktionen ziehen den Schwanz ein

Gut gelungen ist unserer Medienlandschaft die saubere Haltung bei der Berichterstattung über die Wirkung und Nicht-Wirkung von Corona-Maßnahmen in anderen Ländern. Werden Phänomene wie die US-Präsidentschaftswahlen bis zum Gehtnichtmehr medial ausgeschlachtet, fehlen in den Auslandsressorts haufenweise Lageberichte über die Situationen in (Nachbar-)Ländern, wo Maßnahmen früh gelockert wurden oder wo es fast gar keine gab. Ausnahme in der coronischen Auslandsberichterstattung bildeten hingegen die mehrspurigen Impfstraßen in Israel, die den Bürgern angeblich die Freiheit zurück schenkten. Stolz aus den Autofenstern gehaltene Oberarme waren überdurchschnittlich oft zu sehen. Der Appetit kommt bekanntlich mit dem Essen!

Wir halten fest: Ausgewogenheit, Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit als journalistische Tugenden sind nicht mehr en voge. Selbst die renommiertesten Chefredakteure des Landes haben sich in Zeiten, in denen Medien als vierte Gewalt im Staat wichtiger sind denn je, nur auf ihre optisch-repräsentativen Vorzüge beschränkt und artig ihre Gatekeeper zwischen staatlichem PR-Apparat und Lesern auf Urlaub geschickt. Es drängt sich unweigerlich der Gedanke auf, bei Kritik an nationaler Impfpropaganda versiegt die lebensnotwendige Quelle der Regierungsinserate. Denn ideologisch lassen sich so schnell nicht einmal die verwegensten Gutmensch-Wutbürger-Redaktionen umpolen.

Solidarischmäh

Das Orchester der Angst ist nach gut zwei Jahren eingespielt. Die Gratwanderung zwischen Drangsalierung der Bürger und Lockerung von Maßnahmen zum Aufputz der Beliebtheitswerte gelingt dank der tatkräftigen Mithilfe der Medien. Trichtern sie uns täglich aberwitzige Inzidenzwerte, Infektionszahlen oder Hospitalisierte ein. Für Impfwerbung gibt es kein denkbar fruchtbareres Umfeld.

Propaganda-Apparat beherrscht die Klaviatur der Angstrhetorik. So gut, dass das Volk per Fingerzeig auf Nicht-Maskenträger das erledigt, wofür es in früheren Regimen Schlägertrupps brauchte. Die neueste Impfkampagne der Regierung packt sogar den Solidaritätsknüppel aus und macht aus den Unbeugsamen Kameradenschweine. Differenziertes Denken ist unerwünscht, denn an der Klippe der vermeintlichen Mehrheitsmeinung lauern Schwurbler, Verweigerer, Leugner und Verschwörungstheoretiker.

Sommer machts Grauen

Zwischenbilanz nach gut zwei Jahren Reinigungsaktion im Mediensystems: Der Tanzboden glänzt, doch in den hinteren Logen rennt noch der Lurch (Stichwort: alternative, nicht-werbefinanzierte Medien). Ein gewieftes Regime wird den Sommer dazu nützen, dann kann der Herbst ins Land ziehen. Man sehnt sich schon jetzt neue, völkermordende Varianten herbei. So flitzt das Pharmageschenk zur Maronizeit noch besser ins Fleisch.

Frohes Plan-End-Nie!

PS: Ganz nebenbei wischt der feuchte Moralfetzen übrigens auch den Weg für die NATO frei und stellt die technische Verbreitung von russischen Medien wie RT und Sputnik hierzulande sogar unter Strafe. Das Thema mit den ausländischen Sendern hatten wir ja schon mal.


Titelfoto: Jennifer Uppendahl/Unsplash